Kopfsache

Veröffentlicht am 6. August 2024 um 13:43

Würden wir Pferde fragen, was sie sich von uns Menschen wünschen, würden sie womöglich antworten: weniger Berührungen am Kopf...

 

Beobachtet man Pferde untereinander und vergleicht ihr Verhalten mit unserem Umgang mit ihnen, dann fällt schnell auf: Berührungen am Kopf finden unter Pferden sehr selten statt.

Der Hauptgrund, weshalb Pferde sich gegenseitig am Kopf berühren - und dann gerne auch etwas ruppiger - ist das Spiel. Gegenseitiges In-die-Wange-beißen und Stupsen sind in dieser besonderen Situation völlig normal.

In allen anderen Situationen sind Kontakte am Kopf extrem selten und wenn sie stattfinden, dann sehr respektvoll. Nähern sich zwei Pferde mit den Köpfen aneinander an, findet in der Regel keine oder nur eine minimale Berührung statt, sondern ein Austausch von Gerüchen und Atemluft.

Pferde fassen sich zur Begrüßung nicht ins Gesicht - genau das ist es aber häufig, was wir Menschen als erstes tun, wenn wir einem Pferd begegnen. Am Kopf streicheln, ein Halfter anlegen, Impulse am Führstrick, Auftrensen, Zügelhilfen - unser Alltag mit Pferden ist voll von Berührungen am Kopf.

Manche Berührungen lassen sich in unserer Welt nicht völlig vermeiden. Andere dagegen schon.

 

Wenn Du das nächste Mal zu Deinem Pferd gehst, achte doch mal darauf, wie dieser erste Kontakt abläuft. Sehr viele Berührungen am Kopf lassen sich einsparen, und selbst die, die wir nicht vermeiden können, lassen sich achtsamer umsetzen und damit für das Pferd angenehmer gestalten.  Statt gleich auf Dein Pferd zuzugehen und ihm das Halfter anzulegen, könntest Du bereits den Weg zur Weide nutzen, um Dich mental auf Dein Pferd einzustellen - näherst Du Dich der Herde, versuche, ihren Rhythmus anzunehmen, ihren Lebensraum bewusst wahrzunehmen und die Gefühlslage der Herde aufzunehmen. Halte gelegentlich inne und atme tief durch. Versuche, ein oder zwei Gräser oder andere Pflanzen zu bestimmen, bevor Du bei Deinem Pferd angekommen bist - auch Dein Pferd interessiert sich sehr für die Vegetation auf seiner Weide... 😉

Streckt Dein Pferd Dir seinen Kopf entgegen, greif nicht sofort zu, um es zu streicheln oder aufzuhalftern. Halte inne und lass zu, dass es Deinen Atem aufnimmt. Manche Pferde sind zögerlich, sich dem Gesicht des Menschen zu nähern, zum Teil auch, weil sie gelernt haben, dass sie daraufhin barsch zurückgewiesen werden. Diesen Pferden kann man als kleine Erleichterung den Handrücken anbieten (aber nicht aufdrängen). Schöner ist es aber, wenn Ihr gegenseitig Euren Atem austauschen könnt!

Nimmst Du auf so achtsame Weise Kontakt auf, dann wirst Du auch sehr viel feiner wahrnehmen, wann Dein Pferd einverstanden damit ist, dass Du ihm ein Halfter anlegst.

Im Spiel zwischen zwei Pferden kommt es zu deutlichen Kopfkontakten - ein häufiges Missverständnis zwischen Pferd und Reiter.

Und sonst? Auch in der Bodenarbeit und sogar beim Reiten lassen sich viele Berührungen am Kopf vermeiden. Dafür musst Du nicht mit einem Halsring oder ganz frei unterwegs sein, obwohl beides natürlich tolle Möglichkeiten sind, eine wunderschöne Zeit mit Deinem Pferd zu verbringen.

Aber auch mit Kopfstück kannst Du darauf achten, weniger Impulse über Seil oder Zügel zu verwenden. Oft sind diese gar nicht mehr nötig, wenn alle anderen Hilfen klar und freundlich gegeben werden. In der Freiarbeit ohne alle Hilfsmittel ersetzt Deine Körpersprache sogar alle anderen Hilfen, auch beim Reiten in Form Deiner Sitzhilfen. Man spricht in der Reiterei viel vom Zusammenspiel aller Hilfen, jedoch ist die Sitzhilfe als einzige Hilfe tatsächlich in der Lage, ohne alle anderen Hilfen auszukommen und dem Pferd dennoch alle Informationen zu übermitteln. Beobachte Dich selbst einmal genau und finde heraus, wann Du Impulse am Pferdekopf einsetzt und ob sie wirklich in jeder dieser Situationen nötig und gerechtfertigt sind!

Kleiner Tipp: auch Anbinden verursacht Impulse am Pferdekopf, die Du oft nicht einmal mehr steuern kannst. Neben vielen anderen Überlegungen zum Anbinden sollte dies eine weitere sein, die Du Dir bewusst machst, wenn Du überlegst: muss ich mein Pferd tatsächlich gerade anbinden oder geht es vielleicht auch anders?

 

Fazit: Wie in so vielen Bereichen geht es auch hier nicht um Technik oder konkrete Übungen, die die Beziehung zu Deinem Pferd verbessern sollen, sondern vor allem um mehr Achtsamkeit im Alltag. Für Dich ist es nur eine kleine Veränderung. Für Dein Pferd wird es eine sehr große sein.

 

Der Kappzaum

In der gymnastizierenden Arbeit mit dem Kappzaum stehen wir in der Regel in ständiger Kommunikation – und damit in Kontakt – mit dem Pferdekopf. Gerade aus diesem Grund ist es so wichtig, dem Pferd den Kappzaum einfühlsam zu erklären und Schritt für Schritt eine gefühlvolle Verbindung aufzubauen. Dies gilt für jede Zäumung, beginnend beim Halfter, wird aber umso wichtiger, je mehr Informationen wir dem Pferd über diese Zäumung vermitteln möchten. Sich einen Kappzaum zu kaufen, ihn dem Pferd anzulegen und gleich in die Arbeit damit zu starten, kann nicht nur der Qualität der Arbeit schaden - vielmehr schadet es auch der Beziehung zum Pferd.

 

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